Begegnung von Herz zu Herz
Text: Lukasevangelium 1, 39–45 - Einheitsübersetzung neu
39 In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. 40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. 41 Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt 42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. 43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? 44 Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. 45 Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Worte des Lebens für uns
Maria besucht Elisabeth. „Begegnung von Herz zu Herz” nennen wir das Zusammenkommen der zwei werdenden Mütter. Maria behält ihre Freuden und Sorgen über ihre Schwangerschaft nicht für sich, sondern trägt sie zu Elisabeth. Und Elisabeth teilt ihre Freude und ihr Glücksgefühl über ihr unerwartetes Mutterwerden mit Maria.
„Viele Menschen begegnen sich täglich und begegnen sich in Wahrheit – nie. Viele treffen sich oft. Aber nur wenige treffen sich wirklich. Echte Begegnungen sind selten”, schreibt der Theologe und Seelsorger Theo Schmidkonz in einem Meditationstext zum Evangelium von der Begegnung der beiden Frauen Maria und Elisabeth.
Warum sind echte Begegnungen so selten? Was sind wesentliche Voraussetzungen für Begegnungen, die diesen Namen tatsächlich verdienen?
„Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten. Und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren”, sagt der Kommunikationswissenschaftler, Philosoph und Psychologe Paul Watzlawick. Sobald zwei Personen sich gegenseitig wahrnehmen können, kommunizieren sie miteinander, da jedes Verhalten kommunikativen Charakter hat. Watzlawick versteht Verhalten jeder Art als Kommunikation. Da Verhalten kein Gegenteil hat, man sich also nicht nicht verhalten kann, ist es auch unmöglich, nicht zu kommunizieren. Hinter Worten und Verhaltensweisen ohne Worte stecken bewusste oder unbewusste positive oder negative Energien und Schwingungen.
Begegnungen hängen davon ab, wie wir miteinander kommunizieren, mit welcher inneren Haltung und entsprechenden Körpersprache, mit welchen Gesten und Gebärden wir aufeinander zugehen, was wir in eine Begegnung einbringen und was die Begegnung längerfristig in uns bewirkt, was durch die Begegnung mit uns geschieht.
Ob wir einem Menschen entgegengehen mit Offenheit oder Abwehrhaltung, Nähe suchend oder distanziert, wertschätzend oder herablassend, mit Interesse oder gleichgültig, bestimmt von Anfang an unsere Begegnung mit ihm. Ob wir an jemanden mit der Absicht verstehen zu wollen oder abgestumpft, mit der Bereitschaft zum Zuhören und Einfühlen oder verschlossen, mit Freundlichkeit und Zuneigung oder mit Abweisung herantreten, ist für unsere Begegnung förderlich oder behindernd. Ob wir uns auf andere mit Erwartungen oder Befürchtungen, mit Vorurteilen oder unvoreingenommen, unbefangen oder abwartend und zurückhaltend, mit Feingefühl und Gespür oder teilnahmslos, mit Achtung oder verächtlich, mit Aufrichtigkeit oder Hintergedanken, mit Vertrauen oder Misstrauen zubewegen, ist für das Gelingen oder Misslingen von Begegnungen entscheidend.
Begegnungen hinterlassen Spuren. Begegnungen bewegen und verändern. Sie machen etwas mit uns. Selten gehen wir von einer Begegnung so weg, wie wir in sie hineinkommen sind. Begegnungen können nachhaltige Wirkungen hinterlassen:
Es gibt zerstörende und aufbauende Begegnungen.
Es gibt oberflächliche und tiefgehende Begegnungen.
Es gibt krankmachende und heilende Begegnungen.
Es gibt einengende und befreiende Begegnungen.
Es gibt enttäuschende und tröstende Begegnungen.
Es gibt beängstigende und Mut machende Begegnungen.
Es gibt lähmende und schöpferische Begegnungen.
Es gibt bedrückende und frohmachende Begegnungen.
Es gibt hasserfüllte und versöhnende Begegnungen.
Es gibt feindselige und freundschaftliche Begegnungen.
Es gibt schmerzvolle und beglückende Begegnungen.
Es gibt verdunkelnde und klärende Begegnungen.
Es gibt hemmende und erfüllende Begegnungen.
Es gibt Begegnungen von Kopf zu Kopf und von Herz zu Herz.
Begegnungen von Herz zu Herz, Begegnungen, die vom Herzen kommen und zum Herzen gehen, Begegnungen, die Menschen in ihrer Tiefe anrühren, rühren zugleich an das tiefste aller Geheimnisse: an das Göttliche. Sie sind Begegnungen mit dem Göttlichen.
Bildmeditation: LIEBT EINANDER
Viele fragen:
Was heißt Liebe?
Viele sagen:
Liebe ist nur ein Wort.
Maria und Elisabeth
lieben einander
sogar herzlich,
innig,
voll Zärtlichkeit.
Sie gehen aufeinander zu,
kommen sich nahe - sehr nahe.
Sie berühren sich.
Sie umarmen sich.
Einer ist für den anderen
Stütze und Halt.
Zwei Menschen sind ein Auge,
eine Seele,
ein Herz,
wenigstens auf dem Bild!
Ist dieses Bild
aber wirklich nur ein Bild,
die Phantasie eines Malers?
Maria und Elisabeth -
ihre Liebe
ist Wirklichkeit;
denn Maria
eilt zu Elisabeth.
Wahre Liebe
läßt nicht warten.
Echte Liebe
scheut kein Gebirge.
Und Maria bleibt bei Elisabeth.
Sie hält bei ihr aus,
hält die Mühe aus;
denn dem Liebenden
ist keine Mühe zu groß.
Und Elisabeth
teilt mit Maria
Freude und Glück,
ihr menschliches Glück
und ihre Freude an Gott.
Liebe - ist nicht nur ein Wort;
denn Gott - ist die Liebe.
Und wir - sind sein Ebenbild.
Jesus Christus,
Du sagst: 'Liebt einander,
wie ich euch geliebt habe.
Daran soll die Welt erkennen,
dass ihr zu mir gehört,
wenn ihr einander liebt.'
Herr, Du liebst
nicht nur ein bißchen,
Du liebst die Menschen - ganz.
Lass auch uns lieben
mit ganzem Herzen
Dich, unseren Gott
und unsere Mitmenschen
jetzt und in Ewigkeit. Amen.
Text: Theo Schmidkonz SJ
Bild: Heimsuchung, Altar von Liusà, Spanien, um 1200