Der überdimensionierte Zeigefinger

Text: Johannesevangelium 3, 22–44 - Übersetzung: Hoffnung für alle

22 Danach kam Jesus mit seinen Jüngern in die Provinz Judäa. Er blieb einige Zeit mit ihnen dort und taufte. 23 Auch Johannes taufte bei Änon, in der Nähe von Salim, weil es dort genügend Wasser gab. Immer wieder kamen Menschen zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. 24 Denn damals war er noch nicht im Gefängnis. 25 Eines Tages kam es zwischen einigen Jüngern von Johannes und einem Juden zum Streit darüber, welche Taufe wichtiger sei. 26 Gemeinsam gingen sie schließlich zu Johannes und berichteten ihm: 'Rabbi, der Mann, der damals am anderen Jordanufer zu dir kam und auf den du die Menschen hingewiesen hast, der tauft jetzt selber. Alle Leute gehen zu ihm, anstatt zu uns zu kommen.' 27 Doch Johannes erwiderte: 'Kein Mensch kann sich auch nur das Geringste selber nehmen; es muss ihm von Gott gegeben werden. 28 Ihr selbst könnt doch bezeugen, dass ich gesagt habe: 'Ich bin nicht der Christus, der von Gott versprochene Retter. Ich soll ihn nur ankündigen, mehr nicht.' 29 Die Braut gehört schließlich zum Bräutigam! Der Freund des Bräutigams freut sich mit ihm, auch wenn er nur danebensteht. So geht es mir jetzt. Meine Freude könnte nicht größer sein. 30 Christus soll immer wichtiger werden, und ich will immer mehr in den Hintergrund treten. 31 Er ist vom Himmel gekommen und steht deshalb über allen. Wir gehören zur Erde und haben hier unseren Ursprung. Darum können wir nur aus irdischer Sicht reden. Christus aber kommt vom Himmel 32 und kann bezeugen, was er dort gesehen und gehört hat. Trotzdem glaubt ihm keiner! 33 Wer aber auf seine Botschaft hört, der bestätigt damit, dass Gott die Wahrheit sagt. 34 Christus ist von Gott zu uns gesandt. Er redet Gottes Worte, denn Gott gibt ihm den Geist in seiner ganzen Fülle. 35 Der Vater liebt den Sohn und hat alles seiner Macht unterstellt. 36 Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber nicht auf ihn hört, wird nie zum Leben gelangen, sondern Gottes Zorn wird für immer auf ihm lasten.'

Gottes Wort ist uns Orientierung

Isenheimer Altar Kreuzigung Detail
Isenheimer Altar Kreuzigung Detail

Klicke auf das Bild, um es zu vergrößern!

Über der rechten Hand mit dem überdimensionierten Zeigefinger und dem abgewinkelten rechten Arm von Johannes dem Täufer stehen die lateinischen Worte (Johannes 3, 30): ILLUM OPORTET CRESCERE ME AUTEM MINUI. Das heißt wörtlich übersetzt: Jener muss wachsen, ich aber muss kleiner werden.

Klicke auf das Bild, um es zu vergrößern!

Mathias Grünewald schuf den Isenheimer Altar, einen Flügelaltar. Wenn die Flügel geschlossen sind, zeigt er die Darstellung der Kreuzigung Jesu. Rechts im Bild steht die mächtige Gestalt von Johannes dem Täufer. Die Darstellung des Johannes ist der Freiheit des Künstlers geschuldet; denn nach der Überlieferung war Johannes der Täufer zur Zeit der Kreuzigung Jesu nicht mehr am Leben.

Johannes der Täufer zeigt auf den gekreuzigten Jesus. Sein überdimensionierter Zeigefinger ist ein wesentlicher Gesichtspunkt auf diesem Gemälde. Der Finger weist von sich weg und zeigt ausdrucksvoll auf Jesus. Die Worte darüber deuten diese Geste: 'Jener muss wachsen, ich muss kleiner werden.'

'Jener muss wachsen, ich muss kleiner werden.' Das ist der Leitsatz für alle, die Christus nachfolgen. Mein EGO, das sich oft mächtig aufspielt, muss kleiner werden, CHRISTUS, der die Güte, Menschlichkeit, Barmherzigkeit, vergebende Liebe, Empathie, Sanftmut, Gewaltfreiheit, der Schalom ist, muss in mir wachsen. Das Ziel drückt Paulus mit den Worten aus: 'Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.' Nicht mehr mein Ich bestimmt über mein Leben, sondern Christus. Fingerzeig auf Christus sein - im Denken, Reden und Tun auf Christus zeigen, mit anderen Worten 'das Reich Gottes Leben lernen', ist die Berufung der Jesus-Freunde.