Die herrliche Freiheit der Kinder Gottes

Text: Matthäusevangelium 17, 22–27 - Einheitsübersetzung neu

Als sie in Galiläa zusammen waren, sagte Jesus zu ihnen: Der Menschensohn wird in die Hände von Menschen ausgeliefert werden und sie werden ihn töten; aber am dritten Tag wird er auferweckt werden. Da wurden sie sehr traurig. Als Jesus und die Jünger nach Kafarnaum kamen, traten jene, welche die Doppeldrachme einzogen, zu Petrus und fragten: Zahlt euer Meister die Doppeldrachme nicht? Er antwortete: Doch! Als er dann ins Haus hineinging, kam ihm Jesus mit der Frage zuvor: Was meinst du, Simon, von wem erheben die Könige dieser Welt Zölle und Steuern? Von ihren eigenen Söhnen oder von den anderen Leuten? Als Petrus antwortete: Von den anderen!, sagte Jesus zu ihm: Also sind die Söhne frei. Damit wir aber bei ihnen keinen Anstoß erregen, geh an den See, wirf die Angel aus und den ersten Fisch, den du heraufholst, nimm, öffne ihm das Maul und du wirst ein Vierdrachmenstück finden. Das gib ihnen als Steuer für mich und für dich.

Texterläuterung

2. Buch Mose 30, 11-26: "Der HERR sprach zu Mose: Wenn du die Zählung der Israeliten für ihre Erhebung durchführst, soll jeder von ihnen ein Sühnegeld für seine Person anlässlich der Erhebung für den HERRN geben, damit sie kein Unheil wegen der Erhebung trifft. Jeder von ihnen, der zur Erhebung kommt, soll einen halben Schekel, entsprechend dem Schekelgewicht des Heiligtums, entrichten: zwanzig Gera auf einen Schekel; einen halben Schekel soll die Abgabe für den HERRN betragen. Jeder von zwanzig Jahren und darüber, der zur Erhebung kommt, soll eine Abgabe für den HERRN entrichten. Der Reiche soll nicht mehr, der Arme nicht weniger als einen halben Schekel geben, wenn ihr die Abgabe für den HERRN als Sühnegeld für eure Person entrichtet. Nimm das Silber des Sühnegeldes von den Israeliten und verwende es für den Dienst im Offenbarungszelt; es diene den Israeliten zur Erinnerung vor dem HERRN, als Sühnegeld für eure Person."

Jeder männliche Israelit ab dem 20. Lebensjahr - ausgenommen die Priester - musste jedes Jahr Steuer in Höhe eines halben Silberschekels ( = griech. einer Doppeldrachme) an den Tempel in Jerusalem entrichten, egal ob er in Palästina oder im Ausland lebte. Die Tempelsteuer wurde an jedem Ort von dazu bestimmten Personen eingehoben Mit ihr war die Zugehörigkeit zur jüdischen Religion offiziell bekundet. Aus der Tempelsteuer wurden alle Opfer und übrigen Bedürfnisse bestritten, die für den Opferkult im Jerusalemer Tempel nötig waren.

Ein Statér ist eine griechische Zahlungseinheit. Er entspricht dem Wert von vier Drachmen = zwei Doppeldrachmen und damit der Tempelsteuer für zwei Personen für ein Jahr.

Gottes Wort ist uns Orientierung

Diese Begebenheit steht gedanklich im Zusammenhang mit der Verfolgung und Hinrichtung Jesu. Denn der Verfasser des Matthäus-Evangeliums fügt sie unmittelbar der zweiten Leidensankündigung Jesu an.

Jesu Äußerungen zur Tempelsteuer waren neuerlich eine Herausforderung für seine Gegner, die ihn lieber gestern als heute aus der Welt schaffen wollten.

Jesus nützte verschiedene Gelegenheiten, um wesentliche, zeitlos gültige Aussagen zu machen. In diesem Fall geht das, was Jesus hier zu Petrus sagte, über die Angelegenheit der Tempelsteuer weit hinaus.

Da traten Steuereinheber an Petrus heran und fragten ihn, ob Jesus die Tempelsteuer zahlte. Diese Frage zu verneinen hätte eine Gotteslästerung bedeutet. Stockend brachte Petrus kleinlaut, furchtsam und reuig hervor, sie würden das Versäumnis ohnehin nachholen.

Petrus reagierte, wie viele von uns gewohnt sind zu reagieren: Geh ja keine Gefahr ein, duck dich lieber vor jenen, die immer Recht haben, füg dich drein - lass doch dein Leben durch jene nicht kaputtmachen - sie sitzen auf dem längeren Ast.

Ganz anders Jesus! Er antwortete Petrus auf seine Reaktion: Das, was du als lebenserhaltend deutest - das ist doch lebenshemmend. Da ist keine Freiheit möglich, da ist keine Menschenwürde möglich, da ist keine Vergebung möglich, da ist keine Barmherzigkeit möglich, da ist keine Menschenliebe möglich, da ist kein Vertrauen in einen liebenden Gott möglich.

Mit einer gleichnishaften Frage wandte er sich an Petrus: Was meinst du, Simon, von wem erheben die Könige dieser Welt Zölle und Steuern? Von ihren eigenen Söhnen oder von den anderen Leuten? Petrus antwortete: Von den anderen! Da sagte Jesus zu ihm: Also sind die Söhne frei.

Jesus erklärte dem Petrus: Weil wir Gottes Kinder sind, sind wir zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes befreit und zum Zahlen der Steuer für das Haus Gottes nicht verpflichtet. Unter den Augen Gottes besteht nicht die mindeste Erlaubnis, von Menschen Geld einzuforden.

Außerdem wird Jesus an dieser Stelle den Petrus einmal mehr an den alttestamentlichen Propheten Hosea erinnert haben, der die Worte Gottes verkündete: "Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer." Denn die Tempelsteuer galt auch als Sühnegeld. Gott braucht und will keine Entsühnung der Schuld und Sünden der Menschen - weder Opfer noch sonst irgendwelche Sühnegaben. Denn der ewig liebende Gott schenkt Vergebung von Sünde und Schuld bedingungs- und voraussetzungslos.

Märchenhaft klingt die Wundererzählung am Schluss dieser Evangelienstelle. Sie lässt uns an die Geschichte des Polykrates (etwa 550 Jahre vor Christus), des Königs von Samos, denken, die uns der griechische Geschichts- und Geschichtenschreiber Herodot überliefert. Polykrates warf seinen kostbaren Ring ins Meer, um die Götter zu versöhnen, und bekam seinen Ring zurück im Bauch eines Fisches, der ihm zum Mahl geschenkt wurde.

Jesus schickte Petrus zum See mit dem Auftrag, einen Fisch zu angeln. In seinem Maul würde er einen Skater finden, eine Silbermünze, die dem Wert von zwei Doppeldrachmen entsprach. Damit könnten sie freiwillig, nicht verpflichtend die Tempelsteuer entrichten, uns es würden somit die Bedenken des Petrus zerstreut, jemandem damit Ärgernis zu geben, wenn sie die Steuer nicht ablieferten.

Was ist die Botschaft dieser kurzen Erzählung?

Dazu schreibt Eugen Drewermann in seinem Kommentar zum Matthäus-Evangelium - in unseren Augen wunderschön und voll verständlich: "Menschen, die selber frei sind, haben das Vermögen, in die eigene Tiefe zu gehen, sozusagen hinabzutauchen zu den Schätzen ihrer eigenen Seele, ihres eigenen Unbewussten, und daraus etwas hervorzuholen, das weit kostbarer ist - unvergänglich und reich - und viel mehr wert als alles, was man je von ihnen eingefordert hat ...

Das gilt es im Sinne Jesu als erstes zu tun: sich nicht zu beugen und das Risiko vollkommener Freiheit auf sich zu nehmen und darin dann, wie von selbst, der Mensch zu werden, als den Gott uns gemeint hat - goldwert ein jeder von uns! Das einzubringen mit aller Kraft, wäre und ist die Art Jesu, die 'Tempelsteuer' zu zahlen ...

Menschen sind Gold wert! Ein jeder von uns ist so etwas wie ein Königssohn, berufen zu einer Bewußtwerdung, die etwas von ihm zeigt, das, wie Edelmetall nicht korrodierbar ist, da es in keinen Austausch mit irgendeiner anderen chemischen Verbindung tritt, sondern sich 'rein' erhält. Nach aztekischem Glauben ist 'Gold' als 'Schweiß der Götter' zur Erde gekommen, in den Adern der Berge rinnend, ausgewaschen in den Flüssen, - nach heutigem astronomischen Wissen entstammt es dem Schoß verstorbener Sonnen, es wurde geboren und geschmolzen in den Weiten des Kosmos, - es ist, wie auch immer, ein großartiges Symbol für die Sternengeburt unseres menschlichen Bewusstseins."