Im Reich Gottes ist Geschenkannahme nicht verboten, sondern erwünscht

Text: Lukasevangelium 18, 15–17 - Übersetzung: Luther Bibel 2017

15 Sie brachten auch kleine Kinder zu ihm, dass er sie anrühren sollte. Als das aber die Jünger sahen, fuhren sie sie an. 16 Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. 17 Wahrlich, ich sage euch: Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

Gottes Wort ist Licht auf unseren Pfaden

'Im Leben wird dir nichts geschenkt.' 'Es gibt nichts umsonst, du musst es dir verdienen.' 'Ohne Fleiß kein Preis.' 'Erst Leistung, dann Lohn.' Das ist menschliches Denken.

Bei näherer Betrachtung stimmt das Wort 'es wird dir nichts geschenkt' gar nicht. Mensch, was hast du, was dir nicht geschenkt wird? Ich sage: Alles wird dir geschenkt. Vielleicht pochst du auf deine Leistungen. Was ich habe, habe ich mir erarbeitet und verdient. Woher hast du deine geistige und körperliche Leistungsfähigkeit? Hast du sie dir selbst gegeben? Woher hast du Verstand und Vernunft, Fähigkeiten, Talente, Schaffenskraft? Hast du sie dir selbst gegeben?

Im öffentlichen Sektor sind 'anfüttern' und 'Geschenkannahme' verboten. 'Anfüttern' bedeutet: jemanden zu bestechen versuchen, indem man ihm, scheinbar ohne eine Gegenleistung zu erwarten, über einen längeren Zeitraum hinweg Geschenke, Geld, Wertgegenstände, Einladungen, Dienstleistungen, Reisegutscheine, Übernahme der Kosten für Betriebsfeiern, individuellen Rabatt, Vergünstigungen, berufliche Vorteile und Ähnliches zukommen lässt. Der andere lässt sich bestechen und nimmt Geschenke an. Beides ist gesetzlich untersagt.

Kleine Kinder nehmen ohne zu zögern und mit voller Offenheit, Freude und Begeisterung die Zuwendungen von Mutter und Vater an. Sie lassen sich gerne beschenken, ohne dafür Gegenleistungen zu erbringen. Als ganz Kleine sind sie dazu gar nicht imstande. Sie können sich noch gar nichts verdienen. Gute Eltern erwarten von Kindern auch keine Gegenleistungen. Elterliche Liebe und Zuwendung sind unverdiente Geschenke. Das Reich Gottes ist Geschenk. Wer es annimmt, bekommt es von Gott gratis. Gratis kommt vom lateinischen 'gratia'. Es bedeutet Gnade, unverdientes Geschenk. Menschen, die sich von Gott beschenken lassen, steht die Tür zum Reich Gottes offen. Leistung zählt bei Gott nicht. Gottes Liebe und Güte, Himmel und Paradies sind Gottes Geschenke, nicht Lohn, Verdienst und Abgeltung für fromme Leistungen und gute Werke. Gottes Zuneigung brauchen wir uns nicht zu verdienen. Wir können sie nur dankbar annehmen. Vor Gott und vor Menschen mit religiösen Leistungen zu protzen, ist naiv. Gott will Bettler, die nichts vorzuweisen haben, aber bereit sind, alles anzunehmen, was ER gibt. Gott will keine frommen Hausierer, die mit ihren großartigen Verdiensten bei Gott punkten und Tauschgeschäfte mit Gott machen möchten. Sie sehen Gott als Handels- und Vertragspartner. Ich gebe Gott meine Frömmigkeit und Religiosität und bringe ihm meine Opfer, er vergilt sie mir mit der Erfüllung meiner Wünsche. Nocheinmal: Alles ist Gnade.

Urvertrauen
Urvertrauen

Kleine Kinder haben Urvertrauen zu Mutter und Vater, solange es nicht zerstört wird. Urvertrauen zu Gott verschafft Zugang zum Reich Gottes. Wir können die Fähigkeit des Urvertrauens zu Gott erlernen, dass wir von ihm mit bedingungsloser Liebe geliebt und geschätzt, von ihm gewollt, bejaht und angenommen sind, wie wir sind, dass wir in seinen Augen unendlich wertvoll, von ihm immer gehalten und getragen sind, dass er grenzenlos gut zu uns ist, sich in uns einfühlt und uns versteht und uns durch Freude und Leid, Traurigkeit, Angst und Not begleitet.

Kinder können im Augenblick leben, wenn sie zum Beispiel total vertieft sind ins Spiel und ringsum alles vergessen. Ein wesentlicher Schlüssel für das Reich Gottes ist die Fähigkeit im Augenblick, im Hier und Jetzt zu leben. Sie bringt uns dem Sein in Ewigkeit nahe. In der Gegenwart zu leben bedeutet, dass unsere Gedanken nicht der Vergangenheit nachhängen und nicht um die Zukunft kreisen, dass wir ganz bei uns selbst sind. Die Vergangenheit gehört uns nicht mehr, die Zukunft gehört uns noch nicht, das Einzige, was uns wirklich gehört, ist der momentane Augenblick. Meister Eckhart, ein spätmittelalterlicher Philosoph und Mystiker sagte: 'Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch immer der, der dir gerade gegenübersteht, und das notwendigste Werk ist immer die Liebe.'

Staunen
Staunen

Kinder können staunen. Sie sind Meister des Staunens. Was geht in dem Kind vor, das über den Schmetterling staunt? Was ist Staunen? Seelische Erregung, Faszination, Angezogen-, Berührt- und Ergriffenwerden, Erahnen von etwas hinter dem äußerlich Sichtbaren, Erleben einer bezaubernden Ausstrahlung von etwas Geheimnisvollem, mystische Erfahrung des Göttlichen. Alles Mögliche kann in Staunen versetzen. Das Staunen ist der Anfang und die Voraussetzung des Glaubens. Der deutsche Philosoph Josef Pieper schreibt: 'Der Sinn des Staunens ist die Erfahrung, dass die Welt tiefer, großräumiger, geheimnisreicher ist, als es dem Alltagsverstand erscheint.' Staunen lässt in die Schönheit und Herrlichkeit Gottes schauen.

Kinder können sich unbeschwert freuen und herzhaft lachen. Sie sind fähig, Freude tief in ihren Herzen zu empfinden und nach außen zu zeigen. Sie können Luftsprünge machen vor Freude, sie tanzen herum, strahlen übers ganze Gesicht, umarmen einander spontan u.ä. Kleine Kinder verstellen sich nicht. Sie tragen keine unsichtbaren Masken. Sie zeigen offen und freiheraus ihre Gefühle. Kinder sind lebendiger Ausdruck von Freiheit und Erlösung. 'Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.' So hat der Philosoph Friedrich Nietzsche über Christen gesprochen. Christen haben allen Grund, erlöst in der Freiheit der Kinder Gottes zu leben, sind sie doch von ihm ewig geliebt.

Das besingt Andrea Adams-Frey in ihrem Lied 'Freiheit der Kinder Gottes'.

Du machst mich frei von kranker Religion
Von Angst und Menschenfurcht
Du machst mich frei von meiner Illusion
Von meiner Lebensflucht
Du machst mich frei zu staunen, wie ein Kind
Das aus Vertrauen lebt
Du machst mich frei zu tanzen, wie der Wind
Von Deinem Geist bewegt

Das ist die Freiheit der Kinder Gottes
Das ist die Freiheit, die Du uns gibst
Das ist die Freiheit der Kinder Gottes
So ist die Freiheit, weil Du uns liebst

Du machst mich frei Versagen zu bestehen
Zu weinen, wenn es schmerzt
Du machst mich frei meine Fehler einzusehen
Zu lachen über mich selbst
Du machst mich frei zu tun, was man mir sagt
Auch wenn's andren nicht gefällt
Du machst mich frei von dem, der mich verklagt
Vom Urteil dieser Welt

Das ist die Freiheit der Kinder Gottes
Das ist die Freiheit, die Du uns gibst
Das ist die Freiheit der Kinder Gottes
So ist die Freiheit, weil Du uns liebst

Du lässt uns Freiheit selbst zu entscheiden
Tod oder Leben, Fluch oder Segen
Du lässt uns die Freiheit selbst Dich zu meiden
Doch Deine Liebe kommt uns entgegen

Das ist die Freiheit der Kinder Gottes
Das ist die Freiheit, die Du uns gibst
Das ist die Freiheit der Kinder Gottes
So ist die Freiheit, weil Du uns liebst
Weil du uns liebst
Das ist unsere Freiheit

Wo dein Geist ist, da ist Freiheit
Wo dein Geist ist, ist keine Furcht
Wo dein Geist ist, da ist Freiheit
Wo dein Geist ist, ist keine Furcht

Das ist die Freiheit der Kinder Gottes
Das ist die Freiheit, die Du uns gibst
Das ist die Freiheit der Kinder Gottes
So ist die Freiheit, weil Du uns liebst