Jesus weinte

Text: Lukasevangelium 19, 41–44 - Übersetzung: Elberfelder Bibel

41 Und als er sich näherte und die Stadt (= Jerusalem) sah, weinte er über sie 42 und sprach: Wenn auch du an diesem Tag erkannt hättest, was zum Frieden (dient)! Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen. 43 Denn Tage werden über dich kommen, da werden deine Feinde einen Wall um dich aufschütten und dich umzingeln und dich von allen Seiten einengen; 44 und sie werden dich und deine Kinder in dir zu Boden werfen und werden in dir nicht einen Stein auf dem anderen lassen, dafür, dass du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast.

Gottes Licht ist wie Licht in der Nacht

Kirchenfenster in Dominus flevit
Kirchenfenster in Dominus flevit

Auf dem Abhang des Ölberges in Jerusalem dem Kidrontal zu wurde 1955 eine kleine Kirche erbaut. 'Dominus flevit' (= Der Herr weinte) heißt sie. Architektonisch augenfällig ist die Tränenform der Kuppel. Durch ein Kirchenfenster hinter dem Altar fällt der Blick auf die Altstadt Jerusalems.

Diese Kirche erinnert an das Geschehen, das uns im Evangelium oben erzählt wird. Jesus weint, weil ihn das Schicksal der Menschen in der Stadt Jerusalem und aller Menschen auf der Welt zu allen Zeiten, denen der Schalom fehlt, tief berührt. Und er sagt: 'Wenn ihr doch erkannt hättet, wenn ihr doch erkennen würdet, was euch den Schalom bringt.' 'Erkannt hättet', 'erkennen würdet' kann hier verstanden werden als: wenn ihr doch gelernt hättet, wenn ihr doch lernen würdet, wie das geht, den Schalom zu leben.

Schalom bedeutet umfassende Unversehrtheit. Mit diesem Begriff ist nicht nur Schweigen der Waffen gemeint, sondern Gesundheit, Wohlbefinden, Frieden, Ruhe, Glück, Ganzheit, kollektives Wohlergehen, ein Zustand, der keine Wünsche offen lässt.

Jesus hat uns mit seinem Denken, Reden und Tun den dreieinen Gott verkündet als Schalom, als Liebe, Güte, Menschenfreundlichkeit, als Barmherzigkeit, Vergebung und versöhntes Leben, als Einfühlen und Verstehen, als Sanftmut und gewaltfreie Kommunikation. Lernt von meinem Abba-Gott und von mir, sagt uns Jesus. Ja, der Schalom und alles, was zum Leben im Schalom gehört, ist ein großes, lebenslanges Lernprogramm. Jesus traut uns die Fähigkeit zu, den Schalom zu lernen und im Schalom zu leben.

Jesus weinte. Damit zeigt er uns seine Feinfühligkeit und sein Einfühlen. Er ließ sich in seinem Herzen tief berühren vom Befinden der Menschen, von ihren Nöten, ihren Ängsten, Sorgen und von ihrem vielfältigen Leid.

Einen Gedanken fügen wir noch an: Mögen Menschen glauben, dass die Zerstörung der Stadt Jerusalem Gottes Strafe war, wir glauben das nicht. Anstatt irgendwelche schrecklichen Ereignisse Gott zuzuschreiben, halten wir es für angebracht, nach den Ursachen zu fragen und zu forschen, warum etwas so oder so geschehen ist, und daraus zu lernen. Der mütterlich und väterlich ewig Liebende (= Jesu Abba-Gott) klagt nicht an, verurteilt nicht und straft nicht. Er ist NUR LIEBE.