Judas - ein inniger Jesusfreund - denkt nach

Text: Lukasevangelium 22, 1–6 und 21-23 - Übersetzung: Elberfelder Bibel

1 Es nahte aber das Fest der ungesäuerten Brote, das Passah genannt wird. 2 Und die Hohen Priester und die Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn heimlich umbringen könnten, denn sie fürchteten das Volk. 3 Aber Satan fuhr in Judas, der Iskariot genannt wurde (und) aus der Zahl der Zwölf war. 4 Und er ging hin und besprach sich mit den Hohen Priestern und Hauptleuten, wie er ihn an sie überliefere. 5 Und sie waren erfreut und kamen überein, ihm Geld zu geben. 6 Und er versprach es und suchte eine Gelegenheit, um ihn ohne Volksauflauf an sie zu überliefern.

21 Doch siehe, die Hand dessen, der mich überliefert, ist mit mir auf dem Tisch. 22 Und der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie es beschlossen ist. Wehe aber jenem Menschen, durch den er überliefert wird! 23 Und sie fingen an, sich untereinander zu befragen, wer es wohl von ihnen sei, der dies tun werde.

Judas - ein inniger Jesusfreund - denkt nach

Jetzt haben sie Jesus zum Tod verurteilt. Und ich werde als Jesus-Verräter in die Geschichte eingehen. Die einen werden mich hassen, andere werden mich für einen durch und durch Bösen, für einen vom Teufel Bessesenen halten und mich anklagen, verurteilen, verdammen. Sie werden überzeugt sein, dass ich für immer im ewigen Feuer schmoren muss. 'Für Judas wäre es das Beste gewesen, er wäre gar nicht geboren', wird mancher denken.

Wer wird nach dem Beweggrund fragen, warum ich Jesus denen, die sein Todesurteil verlangten, ausgeliefert habe?

'Aus Geldgier hat Judas Jesus verraten', werden die einen sagen, 'er ist schon früher als Dieb aufgefallen, hat er doch in der Gemeinschaftskasse, die er verwaltet hat, privat zugelangt.' Diese Behauptung ist keineswegs wahr. Geldgier und diebisches Verhalten wurden mir unterstellt.

'Judas wollte Jesus sozusagen zwingen, jetzt Farbe zu bekennen, seine Messiasstellung auszuspielen und die römische Besatzungsmacht gewaltsam aus dem Land zu vertreiben. Judas war ein politischer Fanatiker und hätte lieber heute als morgen die Römer verjagt', werden andere meinen. Dass ich so wie unser jüdisches Volk unter der römischen Fremdherrschaft gelitten habe, ist wohl wahr. Aber dass ich Jesus zur Gewalt und zum Krieg anstiften wollte, entbehrt jeder Grundlage. So oft habe ich Jesus darüber reden gehört, er lehne persönlich gewaltsames Reden und Handeln grundsätzlich ab. In seiner Rede am Berg nannte Jesus die Sanftmütigen, also Menschen, die keine Gewalt anwenden, glückselig und vor Gott richtig.

Wahr ist vielmehr: Ich wollte Jesus und die religiöse jüdische Obrigkeit zusammenbringen, sich offen und ehrlich zusammenzureden. Gehörten doch alle - Jesus und unsere Gelehrten der Heiligen Schriften und unser Hohe Rat - der jüdischen Religion an. Da müsse es doch Möglichkeiten geben, sich zu verständigen, zusammenzufinden und für beide Seiten brauchbare Vereinbarungen zu treffen. Wenn beide von ihren Justamentsstandpunkten ein Stück abrücken, müsste es doch friedvolle Wege des Miteinanders geben. Die Jerusalemer Religionsbehörde würde erkennen, dass Jesus das Gesetz des Moses keineswegs leugnete, sondern es mit Güte und Menschlichkeit füllen wollte. Und Jesus sollte merken, dass seine 'Gegner' nichts anderes wollten als er selbst, nämlich Gott und den Menschen zu dienen. Darüber habe ich mich mit Jesus in persönlichen Zwiegesprächen oft unterhalten.

Wahr ist: Innige Freundschaft hat Jesus und mich verbunden. Ich habe Jesus geliebt und hochgeachtet. Jesus war mein Leben, mein ein und alles. Niemals war es meine Absicht, dazu beizutragen, dass Jesus hingerichtet wird. Der Kuss, den ich Jesus gegeben habe, wird als 'Judaskuss' - als Verräterkuss - in die Geschichte eingehen. Tatsächlich war er Ausdruck meiner herzlichen, im Innersten empfundenen Nähe zu Jesus.

Jetzt haben sie Jesus zum Tod verurteilt. Es gibt kein Zurück mehr. In meiner Verzweiflung weiß ich, was ich tun werde.