Keine Liebkinder und keine Stiefkinder im Reich Gottes
Text: Matthäusevangelium 3, 13-17 - Einheitsübersetzung neu
Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf. Und siehe, da öffnete sich der Himmel und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.
Texterläuterung
Die Taufe Jesu steht am Anfang seines öffentlichen Wirkens. Der Verfasser des Matthäusevangeliums macht keine Angabe, wann die Taufe Jesu stattgefunden hat. Der Evangelist Lukas datiert in seinem Evangelium den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu in das fünfzehnte Jahr der Regierung des Kaiser Tiberius. Ab dem Jahr 12 n. Chr. war Tiberius Mitregent unter Kaiser Augustus. 14 n. Chr. hat er die Regierung allein übernommen. Somit ist die Taufe Jesu zwischen 27 und 29 n. Chr. anzusetzen.
Markus und Lukas überliefern in ihren Evangelien das Gespräch Jesu mit dem Täufer nicht.
Dass Jesus die Umkehrtaufe des Johannes empfing, ist den ersten Christen ein Problem gewesen: Warum ließ sich Gottes Sohn, der doch keine Umkehr nötig hat, von einem Menschen taufen? Es kann sein, dass der Verfasser des Matthäus-Evangeliums das Gespräch zwischen Jesus und Johannes als eine Unterweisung über den Sinn der Taufe Jesu verstanden hat. Er hat die Frage der Christen sozusagen dem Täufer Johannes in den Mund gelegt und die Antwort im Sinne Jesu gegeben: Die Gerechtigkeit (= was bei Gott recht und richtig ist) muss erfüllt werden.
Das griechische Wort für "taufen" ist "baptíze-in", es hat die Grundbedeutung "untertauchen", "eintauchen". Um aus Ehrfurcht vor Gott das Aussprechen seines Namens zu vermeiden, verwenden die biblischen Schriftsteller oft Umschreibungen wie z. B. hier "die Himmel" und "eine Stimme aus den Himmeln".
Die Taube galt im Judentum als Symbol der Liebe und des Friedens.
"Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe": Das bedeutet die vollkommene Übereinstimmung des Jesus von Nazareth mit Gott. Der "Sohn" ist in seinem Wesen gleich dem Wesen des Vaters. Er hat durch sein Leben Gott eins zu eins (re)präsentiert. Darum sagte er von sich: "Wer mich sieht, sieht den Vater." Das griechische Wort "eudóke-in" hat die Bedeutungen "für gut befinden", "zufrieden sein mit", "Wohlgefallen haben an", "Gefallen finden an", "mögen".
Gottes Wort ist Liebesbotschaft an uns
Die Stimme aus dem Himmel sprach zu Jesus bei seiner Taufe im Jordanfluss: „Dies ist mein geliebter Sohn, über den ich mich von Herzen freue.”
Diese Worte spricht Gott, der zugleich wie Vater und Mutter ist, zu jedem Menschen und zu jedem Geschöpf: „Du bist mein geliebtes Kind, ich habe unendlich große Freude mit dir.”
Gott hat weder Liebkinder noch Stiefkinder. Er bevorzugt niemanden und benachteiligt niemanden. Er schenkt seine bejahende Zuwendung allen in gleich hohem Maß.
Ganz anders ist das unter Menschen. Da gibt es für die einen viel Sympathie und für andere wenig oder keine. Unter Menschen gibt es Gefallen und Missfallen, Beliebtheit und Unbeliebtheit, Ansehen und Hochachtung und Geringschätzung und Verachtung. Menschen behandeln einander unterschiedlich. Menschen werden von Menschen nicht beachtet, nicht angesehen, zurückgesetzt, hintangestellt, links liegen gelassen, vernachlässigt. Menschen übergehen andere und wenden sich von anderen ab. Menschen stellen die einen in die Mitte und andere an den Rand. Sie diskriminieren, behandeln ungerecht, schließen und grenzen aus und verstoßen. Menschen sehen die einen als ihre Freunde und andere als ihre Feinde, die einen als Gute, andere als Schlechte und Böse.
Diese Einteilungen und Umgangsformen unter Menschen wurden und werden oftmals auf Gott gespiegelt und übertragen. Menschen dachten und denken, dass Gott so ist und sich so verhält wie sie. Das sind die von Menschen gemachten Gottesbilder. Sie haben mit dem Gott, zu dem Jesus „mein Abba” sagt, nichts gemeinsam. Gottes Herz ist unendlich weiter als das Herz des besten Menschenvaters und der besten Menschenmutter. Im Reich Gottes gibt es kein Ansehen der Person, keine Abstufung vom Ersten bis zum Letzten, keine Unterschicht, Mittelschicht und Oberschicht, keine vorderen und hinteren Reihen, keine unteren und oberen Ränge, keine Galerien- und Logenplätze, auch keine „heilige” Rangordnung.
Wir stellen uns vor, dass die Stimme aus den Himmeln jetzt zu uns spricht.
Du bist mein Kind, mein geliebtes. Bevor du im Leib deiner Mutter empfangen wurdest, habe ich von dir schon gewusst. Denn schon am Anfang der Schöpfung habe ich dich erwählt. Ich habe dich im Leib deiner Mutter geformt und den Tag bestimmt, an dem du geboren wurdest. Freude herrscht im Himmel, dass es dich gibt. Wunderbar habe ich dich geschaffen, herrlich und schön. Ich trage das Bild von deiner ewigen Schönheit und Ganzheit in mir. So wirst du sein, wenn du am Ziel bist. Immer bin ich in dir und um dich herum. Von allen Seiten umgebe ich dich und lege meine Hände auf dich. Meine unerschöpfliche Gnade fließt wie ein ewiger Strom in dich ein. Du bist mein Kind, mein geliebtes, ich bin dein Vater und deine Mutter. Jeden Weg gehe ich mit dir. Niemals lasse ich dich allein. Jede gute Gabe, die du empfängst, kommt von mir. Alles habe ich für dich geschaffen. Ich sorge für dich und höre nie auf, dir Gutes zu tun. Sehnsüchte habe ich in dich gelegt, ich werde sie dir zur rechten Zeit erfüllen. In meinen Armen berge ich dich und ich drücke dich an mein Herz. Ich sage bedingungslos Ja zu dir. So wie du bist, darfst du sein. Nichts kann dich trennen von mir. Genauso wie ich Jesus in meinem Herzen trage, trage ich auch dich in meinem Herzen.