Lehrfach: Reich Gottes
Text: Matthäusevangelium 22, 23-33 - Einheitsübersetzung neu
Am selben Tag kamen zu Jesus einige von den Sadduzäern, die behaupten, es gebe keine Auferstehung. Sie fragten ihn: Meister, Mose hat gesagt: Wenn ein Mann stirbt, ohne Kinder zu haben, dann soll sein Bruder dessen Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen verschaffen. Bei uns lebten einmal sieben Brüder. Der erste heiratete und starb, und weil er keine Nachkommen hatte, hinterließ er seine Frau seinem Bruder, ebenso der zweite und der dritte und so weiter bis zum siebten. Als letzte von allen starb die Frau. Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Ihr irrt euch; ihr kennt weder die Schrift noch die Macht Gottes. Denn nach der Auferstehung heiratet man nicht, noch wird man geheiratet, sondern die Menschen sind wie Engel im Himmel. Habt ihr im Übrigen nicht gelesen, was Gott euch über die Auferstehung der Toten mit den Worten gesagt hat: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? Er ist nicht der Gott von Toten, sondern von Lebenden. Als das Volk das hörte, geriet es außer sich vor Staunen über seine Lehre.
Texterläuterung
Der Name "Sadduzäer" leitet sich her vom Hohenpriester Zadok zur Zeit des König Salomo. Die Sadduzäer waren in Israel von ca. 150 v. Chr. bis zur Zerstörung des Zweiten (= Herodianischen) Tempels 70 n. Chr. eine verbreitete römerfreundliche religiöse Gruppierung des Judentums. Sie beherrschten den Tempel und den Tempelkult. Die Sadduzäer waren die größte Kraft im jüdischen Hohen Rat und stellten wiederholte Male den Hohenpriester. Die Gruppe der Sadduzäer setzte sich aus Mitgliedern der höheren, wohlhabenden Priesterschaft zusammen. Sie besaßen große Paläste in Jerusalem und Jericho. Reichtum bedeutete ihnen Segen Gottes. Die Sadduzäer anerkannten nur die fünf Bücher Mose. Theologisch standen sie in krassem Gegensatz zur Gruppe der Pharisäer. Sie glaubten nicht an die Engel (Apg 23,8) und auch nicht an die Auferstehung der Toten. Jesus teilte mit den Pharisäern und dem religiösen Volk den Glauben an die Auferstehung der Toten. Den Schwerpunkt religiösen Lebens sahen die Sadduzäer im Tempeldienst. Ihre Bewegung endete daher nahezu zeitgleich mit der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahre 70.
"Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Mann, der einen Bruder hat, stirbt und eine Frau hinterlässt, ohne Kinder zu haben, dann soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen verschaffen": Die Sadduzäer spielten hier auf eine Stelle im 5. Buch Mose an (Dtn 25, 5): "Wenn zwei Brüder zusammen wohnen und der eine von ihnen stirbt und keinen Sohn hat, soll die Frau des Verstorbenen nicht die Frau eines fremden Mannes außerhalb der Familie werden. Ihr Schwager soll sich ihrer annehmen, sie heiraten und die Schwagerehe mit ihr vollziehen." Nach damaliger jüdischer Vorstellung gehörte der Fortbestand einer Familie - also Nachkommen - zu den höchsten GÜtern. Wenn ein Mann kinderlos starb, sollte ihm sein Bruder zu Nachkommen verhelfen, indem er seine Schwägerin heiratete und mit ihr Kinder zeugte. Der erste Sohn galt dann als Kind des verstorbenen Gatten und trug seinen Namen.
"Nun lebten einmal sieben Brüder. Der erste nahm sich eine Frau, starb aber kinderlos. Da nahm sie der zweite, danach der dritte und ebenso die anderen bis zum siebten; sie alle hinterließen keine Kinder, als sie starben. Schließlich starb auch die Frau. Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt": Mit diesem spitzfindig konstruierten Fall wollten die Sadduzäer beweisen, dass der Auferstehungsglaube vor dem Gesetz des Mose, somit vor Gott nicht bestehen kann und daher unsinnig und falsch sein muss. Und damit wollten sie Jesus in Verlegenheit bringen. Nach dem Gesetz des Mose war die Frau Eigentum ihres Mannes. Sie durfte daher nicht mehrere Männer zugleich haben. Die Sadduzäer haben die Auferstehung falsch verstanden und dachten, damit wäre die Fortsetzung und Verlängerung des irdischen Lebens gemeint. Von dieser falschen Annahme ausgehend kamen sie zu dem Schluss, dass Gott in dem vorgebrachten Fall mit seinem eigenen Gesetz der Schwagerehe in Konflikt käme. Das wäre undenkbar. Daher - folgerten die Sadduzäer - kann es keine Auferstehung geben.
"Da sagte Jesus zu ihnen: Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten. Die aber, die gewürdigt werden, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, heiraten nicht, noch lassen sie sich heiraten. Denn sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und als Kinder der Auferstehung zu Kindern Gottes geworden sind": Jesus versteht unter Auferstehung nicht eine Fortsetzung und Verlängerung des irdischen Lebens, sondern ein neues, ganz anderes. Er unterscheidet zwischen "dieser" Welt und "jener" Welt. Jene Welt ist total anders. In ihr gibt es z. B. das Heiraten nicht und es gibt das Sterben nicht.
"Dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn leben sie alle": Die Sadduzäer beriefen sich in ihrer Beweisführung auf das Gesetz des Mose. Auch Jesus berief sich in seiner Argumentation auf Mose und zitierte eine Stelle aus dem 2. Buch Mose. Da wird von der Gottesbegegnung des Mose am brennenden Dornbusch erzählt. Gott stellt sich Mose vor und sagt: "Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs." (Ex 3, 6a) Damit zeigte Jesus, wenn es keine Auferstehung gäbe, dann wären Abraham, Isaak und Jakob tot. Und Gott wäre dann ein Gott der Toten, wenn er sich der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nennt. "Er ist doch kein Gott von Toten", sagte Jesus, sondern von Lebenden; denn für ihn leben sie alle." Also leben Abraham, Isaak und Jakob - in jener Welt. Folglich gibt es eine Auferstehung der Toten.
Worte des Lebens für uns
Jesus ist Lehrer. Sein Lehrfach heißt: Reich Gottes. Er lehrt das Reich Gottes nicht nur mit Worten und Reden, sondern auch und vor allem mit Zeigen durch sein Tun und Leben. Jesus ist Verkörperung und Inbegriff des Reiches Gottes. In ihm ist das vollendete Reich Gottes unverfälscht offenkundig, sichtbar und erkennbar.
Reich Gottes ist Lernprogramm für uns für unser ganzes Leben und darüber hinaus. Dieser Lernprozess dauert so lange an, bis wir das Reich Gottes gelernt haben.
Wir lernen das Reich Gottes von, mit und durch Jesus. Er lässt uns nicht allein, sondern ist mit uns auf dem Weg unseres Reich-Gottes-Lernens. Lektion für Lektion, Lernschritt für Lernschritt bis zum Lernziel. Die Lerninhalte und Lernaufgaben vermitteln uns die Evangelien.
Welche Lerneinheiten enthält dieses Evangelium für uns?
Wir lernen daraus ein Zweifaches.
Erstens: Jesus begegnet seinen Gesprächspartnern nicht überheblich, nicht besserwisserisch und rechthaberisch. Er geht mit Wertschätzung, Achtung und Ehrfurcht auf sie zu und mit ihnen um. Er beurteilt ihre Überzeugung nicht und wertet sie nicht. Er sagt seine Überzeugung, drängt, drückt und zwingt sie aber nicht auf. Er lässt frei.
Andere mit ihren Ansichten und Überzeugungen abqualifizieren, abwerten, herabsetzen, heruntermachen, herabwürdigen, schlechtmachen, abkanzeln und verteufeln und nichts Gutes an anderer Überzeugung lassen, das sind keine Markenzeichen des Reiches Gottes. Und Überzeugungen aufdrängen, aufdrücken und aufzwingen, das ist nicht Reich-Gottes-Stil.
Das zeigt uns Jesus von Nazareth und lebt es uns vor. Wir können es an seinem Leitbild lernen.
Zweitens: Jesus glaubt an die Auferstehung, weil er auf den treuen Gott vertraut, der Leben schafft und schützt, der Leben erhält und niemals zugrunde gehen lässt. Für und bei Gott gibt es den Tod nicht. Tod ist wie Schatten. Schatten hat keine Quelle und keine Macht hinter sich. Er ist nichts. Leben ist wie Licht. Licht hat eine Quelle und eine Mächtigkeit hinter sich. Quelle allen Lebens ist Gott.
Der Gott Jesu ist ein Gott des Lebens und der Lebenden. Er hat seine Geschöpfe zum Leben geschaffen. Darum lässt er keines ins Nichts fallen, sondern trägt und führt jedes behutsam heim in die Vollendung, wo jede Sehnsucht ihre Erfüllung findet.
Werden und Vergehen, Sterben und Auferstehen sind fortwährende Verwandlungen mitten im Leben und über dieses Leben hinaus bis zum endgültigen Ziel. Auch das Sterben am Ende unseres irdischen Lebens ist Verwandlung. Das endgültige Ziel ist die Vollendung. Verwandlungen sind immer vorübergehend, nicht unbegrenzt. Angekommen am endgültigen Ziel hören alle Verwandlungen auf.
Der Auferstehungsglaube ist der Glaube des Jesus von Nazareth. Wir können ihn an seinem Original lernen.