Liebe statt unmenschlicher Paragrafen
Text: Matthäusevangelium 1, 18-25 - Einheitsübersetzung neu
Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe sie zusammenkamen, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte, gedachte, sie heimlich zu verlassen. Als er noch so dachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): "Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben", das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er erkannte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.
Texterläuterung
Josef, der Mann Marias, wird im Matthäusevangelium 9x, im Lukasevangelium 3x, im Markus- und Johannesevangelium gar nicht erwähnt.
Der Verfasser des Matthäusevangeliums war Judenchrist und schrieb sein Evangelium für Judenchristen. Judenchrist war jemand, der zuerst der jüdischen Religion angehörte und dann den christlichen Glauben annahm. Sie kannten das jüdische Gesetz gut. In der jüdischen Gesellschaft des ersten Jahrhunderts n. Chr. war der Mann die unbestrittene rechtliche Autorität in der Familie. Daher musste der Verfasser des Matthäus-Evangeliums Josef den ihm gebührenden Platz geben.
"Die Geburt Jesu Christi geschah aber so": Wortgetreue Übersetzung: Des Jesus Christus Ursprung (Entstehung, Geburt) aber war so.
Im Hintergrund steht jüdisches Eherecht: Maria und Josef sind verlobt, das heißt dem damaligen jüdischen Gesetz nach verheiratet. Sie leben noch nicht zusammen und verkehren geschlechtlich noch nicht miteinander. Josef hat aber bereits den Rechts- und Besitzanspruch über Maria und kann deshalb schon "ihr Ehemann" genannt werden. Die jüdische "Verlobung" stellte nämlich ein rechtsverbindliches Eheversprechen dar; die eheliche Gemeinschaft wurde aber erst nach der Heimholung der Braut durch den Ehegatten (= Hochzeit), meist ein oder eineinhalb Jahre später, aufgenommen. Bis zur Hochzeit lebte die Braut noch unter der väterlichen Autorität im Elternhaus. Die jüdischen Mädchen heirateten gewöhnlich nach Eintritt der Geschlechtsreife mit 13 bis 14 Jahren.
"Gerecht" bedeutet: Er lebte so, wie es vor Gott recht, richtig ist. Er handelte dem Willen Gottes entsprechend.
Maria wurde als "Verlobte" schwanger, und das Kind stammte nicht von Josef. Es lag also juristisch Ehebruch vor, für den das Gesetz - zumindest zur Zeit Jesu in der Theorie noch immer - auch im Fall der Verlobung die Todesstrafe vorsah (vgl. 5. Buch Mose 22,23-27). Juristisch betrachtet bestand der Ehebruch darin, dass eine Frau, die ihrem Mann wie Besitz gehörte, sich einem anderen hingab. Sie verletzte damit also sein Eigentumsrecht über sie. Josef musste zunächst davon ausgehen, dass Maria Ehebruch begangen hatte. Er hätte rechtlich die Möglichkeit gehabt, Maria zu verstoßen und sie der öffentlichen Schande und der Todesstrafe preiszugeben. Seine Reaktion aber war ganz anders. Er lieferte Maria nicht an das Gesetz aus, sondern plante seine Ehe mit Maria heimlich aufzulösen. Mit der Scheidung, die gesetzlich möglich war, hätte er auf sein Eigentumsrecht über seine Frau Maria verzichtet, und somit hätte es sich bei ihrem Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann nicht um Ehebruch gehandelt. Gerade deswegen erwies sich Josef für den Verfasser des Matthäusevangeliums als "gerecht", weil er das Gesetz im Sinne des Liebesgebotes auslegte. Josef hielt sich nicht an den Wortlaut des Gesetzes (vgl. 5. Buch Mose 22,23ff.), sondern stellte Liebe und Barmherzigkeit über alle buchstabentreue Befolgung des Gesetzes. Der Verfasser des Matthäusevangeliums stellt zu Beginn seines Evangeliums mit Josef einen Menschen vor, der "Gerechtigkeit" beispielhaft als Liebe und Barmherzigkeit verwirklichte. Im Alten Testament bedeuteten die Begriffe "gerecht" und "Gerechtigkeit" Leben und Handeln nach dem Gesetz (= nach dem Gesetz des Mose, das als göttliches Gesetz gegolten hat), für Jesus (= im Neuen Testament) aber bedeuten sie Leben und Handeln im Geist der Liebe und Barmherzigkeit.
Ein Gottesbote bringt Josef die Nachricht: Das Kind, das Maria erwartet, stammt nicht aus menschlicher Zeugung, sondern vom Heiligen Geist. Das bedeutet: Der Glaube, dass Jesus Sohn Gottes ist, erschloss sich Josef nicht durch eigenes Denken und Erkennen, sondern durch Gottes Offenbarung und Gottes Gnade (Gnade ist unverdientes Geschenk). Voraussetzung seinerseits war, dass Josef für Gott und Gottes Gnade offen war und auf Gottes Wort, auf Gottes Botschaft hörte.
"Sohn Davids" bedeutet Nachkomme des König David. Das Volk Israel erwartete den Messias als Nachkommen des König David. Josef war der gesetzliche Vater von Jesus, folglich ist Jesus Nachkomme des König David.
Der Name "Jesus" (in der Muttersprache Jesu = aramäisch: "Jéschua", Kurzform: "Jéschu", Langform: "Jehóschua") bedeutet "Jahwe rettet", "Jahwe hilft". Jahwe ist ein alttestamentlicher Gottesname und heißt: Der "ICH BIN", der "ICH BIN DA".
Das griechische Wort für "Sünde" heißt "hamartía" und hat die Grundbedeutung "Zielverfehlung".
Der Verfasser des Matthäusevangeliums war Judenchrist und schrieb sein Evangelium für Judenchristen. Judenchristen kannten das Alte Testament gut, es war für sie eine der wichtigen Grundlagen ihres Glaubens. Deshalb zitiert der Verfasser des Matthäusevangeliums in seinem Evangelium häufig Stellen aus dem Alten Testament und bestätigt, dass sich mit Jesus erfüllt hat, was im Alten Testament angekündigt wurde.
"Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben": Das ist ein Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja. (Jes 7, 14) Diese Verheißung eines von Gott geschenkten Kindes, das den Namen "Immanuel" tragen wird, sah der Verfasser des Matthäus-Evangeliums mit der Geburt Jesu erfüllt. Das Buch Jesaja wurde in hebräischer Sprache abgefasst. Der hebräische Urtext verwendete das Wort "almah", das heißt übersetzt "junge Frau", und nicht "betulah", das "Jungfrau" heißt. Der Verfasser des Matthäus-Evangeliums übersetzte das hebräische Wort "almah" ins Griechische mit "Jungfrau".
"Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar": Das Wort "erkennen" bedeutet in der Bibel häufig "sexuell miteinander verkehren".
Die Namensgebung war rechtlich hoch bedeutsam. Sie war die rechtliche Erklärung der Vaterschaft. Mit der Namensgebung wurde Josef dem damaligen jüdischen Gesetz nach Vater von Jesus. Damit, dass Josef dem Recht nach Vater von Jesus war, war auch Jesus ein rechtlicher Nachkomme des König David. Somit war auch die Verheißung des Alten Testamentes erfüllt, der Messias Gottes werde ein Nachkomme Davids sein.
Gottes Wort ist unseres Fußes Leuchte und Licht auf unserem Weg
Der Verfasser des Matthäusevangeliums war Judenchrist und schrieb sein Evangelium für Judenchristen. Judenchrist war jemand, der zuerst in der jüdischen Religion lebte und dann den christlichen Glauben annahm. Judenchristen kannten das jüdische Gesetz gut. In der jüdischen Gesellschaft des ersten Jahrhunderts n. Chr. war der Mann die unbestrittene rechtliche Autorität in der Familie. Daher musste der Verfasser des Matthäus-Evangeliums Josef den ihm gebührenden Platz geben.
Im Hintergrund steht damaliges jüdisches Eherecht. Maria und Josef waren verlobt, das hieß dem damaligen jüdischen Gesetz nach verheiratet. Sie lebten noch nicht zusammen und verkehrten geschlechtlich noch nicht miteinander. Für 'sexuell miteinander verkehren' verwendet die Bibel häufig den Begriff 'erkennen'. Josef hatte bereits den Rechts- und Besitzanspruch über Maria und konnte deshalb schon 'ihr Ehemann' genannt werden. Die jüdische Verlobung stellte nämlich ein rechtsverbindliches Eheversprechen dar. Die eheliche Gemeinschaft wurde aber erst nach der Heimholung der Braut durch den Ehegatten (= Hochzeit), meist ein oder eineinhalb Jahre später, aufgenommen. Bis zur Hochzeit lebte die Verlobte noch unter der väterlichen Autorität im Elternhaus. Die jüdischen Mädchen heirateten gewöhnlich nach Eintritt der Geschlechtsreife mit 13 bis 14 Jahren.
Maria wurde als Verlobte schwanger. Das Kind stammte nicht von Josef. Es lag also juristisch Ehebruch vor, für den das Gesetz - zumindest zur Zeit Jesu in der Theorie noch immer - auch im Fall der Verlobung die Todesstrafe vorsah (5. Buch Mose 22,23-27).
Juristisch betrachtet bestand der Ehebruch darin, dass eine Frau, die ihrem Mann wie Besitz gehörte, sich einem anderen hingab. Sie verletzte damit sein Eigentumsrecht über sie.
Josef musste zunächst davon ausgehen, dass Maria Ehebruch begangen hatte. Er hätte rechtlich die Möglichkeit gehabt, Maria zu verstoßen und sie der öffentlichen Schande und der Todesstrafe preiszugeben. Seine Reaktion war aber ganz anders. Er lieferte Maria nicht an das Gesetz aus, sondern plante seine Ehe mit Maria heimlich aufzulösen. Mit der Scheidung, die gesetzlich möglich gewesen wäre, hätte er auf sein Eigentumsrecht über seine Frau Maria verzichtet, und somit hätte es sich bei ihrem Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann nicht um Ehebruch gehandelt.
Gerade deswegen erwies sich Josef für den Verfasser des Matthäusevangeliums als 'gerecht'. Josef stellte Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung über alle buchstabentreue Befolgung des Gesetzes.
Der Verfasser des Matthäusevangeliums stellt zu Beginn seines Evangeliums mit Josef einen Menschen vor, der 'Gerechtigkeit' beispielhaft als Liebe und Barmherzigkeit verwirklichte.
Im Alten Testament bedeuten die Begriffe 'gerecht' und 'Gerechtigkeit' Leben und Handeln nach dem Gesetz, nach dem Gesetz des Moses, das als göttliches Gesetz gegolten hat. Für Josef aber bedeuten sie Leben und Handeln im Geist der Liebe und Menschlichkeit.
Ein Gottesbote brachte Josef die Nachricht. Das Kind, das Maria erwartet, stammt nicht aus menschlicher Zeugung, sondern vom Heiligen Geist. Das bedeutet: Der Glaube, dass Jesus Sohn Gottes ist, erschloss sich Josef nicht durch eigenes Denken und Erkennen, sondern durch Gottes Offenbarung. Voraussetzung seinerseits war, dass er für Gott ganz offen war und auf Gott hörte.
Der Name Jesus, in der aramäischen Muttersprache Jesu Jéschua, Kurzform Jéschu, Langform Jehóschua, bedeutet 'Jahwe rettet', 'Jahwe hilft', 'Jahwe heilt'. Jahwe ist ein alttestamentlicher Name für Gott.
Die Namensgebung war rechtlich hoch bedeutsam. Sie war die rechtliche Erklärung der Vaterschaft. Mit der Namensgebung wurde Josef dem damaligen jüdischen Gesetz nach rechtlicher Vater von Jesus.
Damit, dass Josef dem Recht nach Vater von Jesus war, war auch Jesus ein rechtlicher Nachkomme des König David. Somit war die Verheißung des Alten Testamentes erfüllt, der Messias Gottes werde ein Nachkomme Davids sein.
Noch einmal:
Josef hätte die Möglichkeit gehabt, den Weg der Vergeltung, der Rache, des Rechts, der kalten Paragrafen und Gesetze zu beschreiten. Das tat er nicht, sondern wählte den Weg der Liebe, der
Menschlichkeit und der Vergebung. Der Gesetzesgerechtigkeit stellte er die Liebesgerechtigkeit entgegen. Den gleichen Weg wie Josef ist später Jesus gegangen. Vor Gott gerecht (richtig) handeln bedeutet
für Josef und Jesus Liebe und Menschlichkeit leben.
Traum des Josef
Der Maler nennt diese Darstellung - Teil des Bad Uracher Altarbildes - "Traum des Josef".
Das Bild zeigt Josef am Boden, und so fühlt er sich auch: boden-los, enttäuscht, am Boden zerstört; denn das Kind seiner Braut ist nicht sein Kind.
Was geht jetzt in diesem Mann vor? Gott schenkt Josef einen Traum: "Ein Engel des Herrn erschien ihm." Mit den flügelartigen Schwingen erinnert der Maler an Engel-Bilder in der früheren Kunst.
In der Bibel sind Flügel auch ein Bild für Gott, der uns von allen Seiten umhüllt. Psalm 91: "Mit seinen Schwingen beschützt er dich. Du kannst unter seine Flügel flüchten."
Mit Josef geschieht eine Wandlung. Im Hineinhorchen in seinen Traum lichtet sich die Nacht seiner Seele. Er erkennt: Maria hat das Kind empfangen aus den Händen des Heiligen Geistes.
Maria glaubt Gott ohne Vorbehalt. In der Kraft des Geistes sagt sie: "An mir geschehe dein Wort." Der Geist macht Unmögliches möglich. Durch ihn wird Gott ein Mensch im Schoß der Jungfrau
Maria - ohne jedes Mitwirken eines Mannes.
"Und Josef nahm Maria zu sich" und das Kind - als kostbarsten Schatz. Im Bild hat Josef den Mund geöffnet. Von ihm ist uns nur ein einziges Wort überliefert. Die Bibel berichtet: "Und er rief
seinen Namen: Jesus."
Wir sollten diesen Namen - wie Josef - ehrfürchtig und staunend aussprechen, mit großer Dankbarkeit und Hoffnung. Denn der Name "Jesus, Jeschua" sagt, wonach wir uns im Tiefsten sehnen:
Gott hilft, Gott heilt, Gott rettet.
Vergessen wir nicht: Maria und Josef ließen sich führen vom Heiligen Geist. Wer ihn ruft, dem steht er bei - immer.
Komm, Heiliger Geist, und Unmögliches wird möglich.
Komm, Heiliger Geist, und im Dunkel erstrahlt Licht.
Komm, Heiliger Geist, und Angst verwandelt sich in Vertrauen.
Komm, Heiliger Geist, und aus Schwachheit erwächst Kraft.
Komm, Heiliger Geist, und aus Tod entsteht Leben.
Komm, Heiliger Geist, und Traurigkeit geht über in Freude.
Danke, Heiliger Geist, mit dir zusammen sind wir dem Leben gewachsen.
Text: Theo Schmidkonz SJ
Bild: Sieger Köder, Traum des Josef (Bad Uracher Altar)