Der Messias Jesus

Text: Matthäusevangelium 11, 1-11 - Einheitsübersetzung neu

Und es geschah, als Jesus die Unterweisung der zwölf Jünger beendet hatte, zog er weiter, um in den Städten zu lehren und zu predigen. Johannes hörte im Gefängnis von den Taten des Christus. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge über Johannes zu reden: Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Siehe, die fein gekleidet sind, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: sogar mehr als einen Propheten. Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird. Amen, ich sage euch: Unter den von einer Frau Geborenen ist kein Größerer aufgetreten als Johannes der Täufer; doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.

Texterläuterung

Johannes der Täufer kritisierte um das Jahr 28 n. Chr. in öffentlichen Predigten den Ehebruch von Herodes Antipas (einem Sohn von König Herodes dem Großen) und seiner zweiten Frau Herodias auf scharfe Weise. Er wurde daraufhin von Herodes Antipas gefangengenommen, auf der Festung Machaerus eingekerkert und dort auf Veranlassung der Herodias enthauptet. Herodes Antipas (zur Zeit Jesu Herrscher von Galiläa) verließ seine erste Frau und heiratete daraufhin seine Schwägerin und zugleich Nichte Herodias. Herodias war die Tochter eines Halbbruders von Herodes Antipas und war in erster Ehe mit einem weiteren Halbbruder ihres Vaters und ihres Onkels Herodes Antipas verheiratet. Ihr erster Mann war also ihr Onkel und auch ihr zweiter Mann - Herodes Antipas - war ihr Onkel. Dieser doppelte Ehebruch erregte bei den religiösen Juden großes Ärgernis.

Auch Johannes der Täufer hatte Jünger (= Schüler).

Johannes vermied das von der religiösen Tradition und den politischen Erwartungen des Volkes Israel belastete Wort "Messias" und gebrauchte stattdessen die Umschreibung "der, der kommen soll". Johannes hatte offensichtlich Zweifel, ob Jesus der Christus (= der Messias = der Gesalbte) ist.

"Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet": Jesus antwortete den Johannesjüngern mit den messianischen Verheißungen des Propheten Jesaja (Jes 35, 5f: "Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt". Jesus erweiterte die Zitate aus Jesaja durch Aussätzigenheilungen und Totenerweckungen. Auf die Anfrage des Täufers verweist Jesus auf seine Zuwendung zu den Kranken (krank im ganzheitlichen Sinn) und Armen. Krankheit, Armut und frühes Sterben galten im damaligen Judentum als Strafe Gottes für Sünde. Jesu Zuwendung zu Kranken und Armen wurde deshalb als Annahme von Sündern betrachtet. Dass sich Jesus mit Menschen abgegeben hat, die als Sünder angesehen oder öffentlich als solche abgestempelt wurden, war für die selbstgerechten Frommen ein religiöser Skandal und ein schwerwiegendes Hindernis, Jesus als Messias anzuerkennen.

Das griechische Wort für "Arme" heißt "ptochôi", das vom Zeitwort "ptêsse-in" bzw. "ptôche-in" kommt und "sich ängstlich ducken", "sich verkriechen" bedeutet.

Das griechische Wort für "Anstoß nehmen" ist die Passivform von "skandalíze-in" und bedeutet "zu Fall kommen", "abfallen", "irre werden". Demnach: "Zu beglückwünschen ist, wer an mir nicht irre wird." Viele Juden, vor allem die Führenden der Religion, wurden damals an Jesus irre, weil er ihren messianischen Vorstellungen und Erwartungen nicht entsprach.

"Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt": Das bedeutet einen Menschen, der seinen Mantel nach dem Wind hängt und seine Meinung und Überzeugung ändert, wie es für ihn gerade günstig ist.

"Einen Mann in feiner Kleidung": Damit ist ein Mensch gemeint, der verweichlicht ist und das Leben in vollen Zügen genießt.

"ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird": wortgetreue Übersetzung: ich schicke meinen Boten vor deinem Angesicht her, der herrichten wird deinen Weg vor dir. Das ist ein Zitat aus dem Buch des alttestamentlichen Propheten Maleachi: "Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt!, spricht der Herr der Heere." (Mal 3, 1) Ursprünglich waren alle künstlich angelegten und befestigten Straßen von den Königen gebaut worden und auch ihnen allein vorbehalten. Sie hießen deshalb auch "Straßen des Königs". Wenn der König seine Straßen benutzte, wurden zuvor Boten (Rufer) in das betreffende Gebiet gesandt, um die dortigen Bewohner aufzufordern, die Straße auszubessern und in Ordnung zu bringen.

Johannes der Täufer ist der unmittelbare "Wegbereiter" des Messias. Deshalb hat es im Alten Testament keinen "größeren" Menschen als ihn gegeben. Jesus aber hat ein ganz neues Bild von Gott vermittelt: das Bild des unendlich Liebenden. Dieses hat Johannes nicht mehr kennengelernt. Er blieb der Gottesvorstellung und Gottesverkündigung des Alten Testamentes verhaftet. Daher steht er trotz seiner großartigen Stellung im Alten Testament selbst hinter dem Geringsten zurück, der Jesus und damit das Neue annimmt: nämlich den Glauben an den Gott der reinen, ewigen Liebe.

Gottes Wort ist Licht über unseren Pfaden

Johannes der Täufer hat geglaubt, dass der Messias Gottes die Gottesverkündigung in seiner Tonart fortführen wird. Er hat gedacht, dass Gott die Menschen, die nicht gut sind, hart bestrafen wird. Als Johannes gemerkt hat, dass Jesus von Nazareth nicht ins gleiche Horn stößt wie er, sind ihm Zweifel gekommen, ob Jesus der Messias ist. Darum hat er seine Schüler zu Jesus geschickt und ihn fragen lassen: Bist du der Messias?

Jesus hat die Johannesschüler auf seine Worte und Taten verwiesen: Achtet darauf, was ich sage und wie ich es sage, was ich tue und wie ich es tue! Er hat mit den Worten eines alten Propheten seine messianische Tätigkeit beschrieben: „Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.”

Der Messias Jesus ist der Messias - der Befreier und Heilbringer - aller Menschen. Darum gilt seine Botschaft allen, nicht nur bestimmten Gruppen, die von verschiedenen Beeinträchtigungen betroffen sind. Denn in ganzheitlicher Betrachtungsweise sind wir alle blind, gelähmt, aussätzig, taub, arm und tot und haben wir alle Heilung nötig. Jesus lehrt uns Wege zu ganzheitlicher Befreiung und Heilung.

Von Jesus lernen wir Befreiung von negativen Gottesbildern. Jesus lehrt uns Gott ganz anders sehen, nämlich als den, der unendlich gut ist und grenzenlos gut zu uns.

Von Jesus lernen wir Befreiung von unseren inneren Lähmungen. Jesus lehrt uns Gott als den, der nicht Macht über uns ausübt und uns unterdrückt, der uns nicht einschnürt und klein macht, der uns nicht droht und einschüchtert, sondern der uns aufrichtet und uns aus allen unseren engen Grenzen in die Weite führt. Darum können wir uns lösen von allem, was uns hemmt und lähmt, was uns demütigt und beugt, was uns knebelt und krümmt, und können unseren Weg aufrecht gehen.

Von Jesus lernen wir Befreiung von dem Glauben, schlecht und böse zu sein. Jesus lehrt uns Gott als den, der nicht an uns herumnörgelt, der uns nicht anklagt und verurteilt, der uns nicht verstößt, sondern der uns bedingungslos annimmt und Ja zu uns sagt mit allem, was wir sind und wie wir sind. Darum können wir uns lösen von Perfektionismus und unserem idealen Selbstbild und von den Urteilen und Verurteilungen durch andere. Wir brauchen nichts von uns zu verdrängen und abzuspalten, sondern können uns annehmen mit allen unseren hellen und dunklen Seiten.

Von Jesus lernen wir Befreiung vom Gefühl, minderwertig zu sein. Jesus lehrt uns Gott als den, der uns nicht bloßstellt und beschämt, der uns nicht erniedrigt und herabsetzt, sondern der uns unendlichen Wert und unverlierbare Würde gibt. Darum können wir uns davon lösen, unseren Wert im Außen zu suchen und durch Aussehen, Auftreten, Talente, Können, Besitz, Leistung, Erfolg, Status und Prestige Wertschätzung, Geltung und Bewunderung von anderen zu erhalten.

Von Jesus lernen wir Befreiung vom Habenmüssen und von Gefühlen des Zu-kurz-Kommens. Jesus lehrt uns Gott als den, der uns inneren Reichtum und Freude schenkt in unvergleichlich größerem Maß als alle Reichtümer, Genüsse und Freuden dieser Welt. Darum können wir uns lösen von Konkurrenzkampf, Neid und Eifersucht, vom Hasten und Rennen um Geld und materielle Güter und von Ruhelosigkeit und Angst, die materiellen Güter zu verlieren. Wir können unverkrampft und gelöst, entspannt und gelassen leben, weil Gott uns gibt, was wir täglich zum Leben wirklich brauchen.

Von Jesus lernen wir Befreiung von Traurigkeit, Schwermut und Todesangst. Jesus lehrt uns Gott als den, der uns hält und trägt, der uns nicht fallen und verlorengehen lässt, der unser Leben immer wieder verwandelt und neugestaltet. Darum können wir uns lösen vom Schrecken der Verluste, des Untergangs und Sterbens. Wir können alles loslassen, was zu uns gehört, und uns getrost in Gott, den tragenden Grund, hinein fallen lassen.

Jesus von Nazareth hat die Vorstellungen vom Messias für viele damals nicht erfüllt und wurde deshalb abgelehnt. Es ist anzunehmen, dass es ihm heute nicht anders ergehen würde wie zu seiner Zeit. Er würde wieder Zurückweisung, Widerstand und Verweigerung erfahren. Denn auch heute stellen sich viele die Erlösung der Welt ganz anders vor und handeln ganz anders als Jesus.

„Überglücklich seid ihr, wenn ihr nichts auszusetzen habt daran, dass ich euch und der ganzen Welt Erlösung und Heil auf meine Weise bringe! Überglücklich seid ihr, wenn ihr von mir lernt und meine Erlösungswege in eurer eigenen Lebenspraxis nachgeht!”, sagt Jesus.