Das Paradies ist Geschenk

Text: Lukasevangelium 23, 35-43 - Einheitsübersetzung neu

Das Volk stand dabei und schaute zu; auch die führenden Männer verlachten ihn und sagten: Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte. Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann rette dich selbst! Über ihm war eine Aufschrift angebracht: Das ist der König der Juden. Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

Texterläuterung

Die führenden Männer waren im jüdischen Volk die Mitglieder des Hohen Rates und der Hohepriester als Vorsitzender des Hohen Rates. Die Mitglieder des jüdischen Hohen Rates waren Priester, die im Tempel die Opfer darbrachten, sowie jüdische "Älteste" und Schriftgelehrte. Abgesehen von den Schriftgelehrten waren die Mitglieder hauptsächlich Sadduzäer, die überwiegend den vornehmen, reichen Gesellschaftsschichten angehörten.

Die "Ältesten":

Älteste gab es bereits in der frühen Zeit der Geschichte Israels. Im 4. Buch Mose werden die Fürsten der zwölf Stämme, die Häupter der Geschlechter sowie die Erstgeborenen und Stammhalter der einzelnen israelitischen Familien als Älteste bezeichnet. Sie bildeten gemeinsam eine Art ständige Vertretung des Volkes und waren gleichzeitig die Ordnungshüter der vorstaatlichen Gesellschaft. Zunächst waren die Ältesten - daher der Begriff - wirklich die Betagten. Alten Menschen wurde besondere Hochachtung der Gesellschaft zuteil. Gleichzeitig galt Altwerden als besonderer göttlicher Segen und als Belohnung der Frömmigkeit eines Menschen. Hierin wurzelte die Autorität der Ältesten.

Neben diesen Ältesten, die die alte patriarchalische Familienordnung hervorgebracht hatte, finden wir in der Bibel auch eingesetzte und berufene Älteste. So entstand ein von der patriarchalischen Ordnung unabhängiges Leitungsamt. Das Alter der vom Volk vorgeschlagenen und von Mose feierlich eingesetzten Ältesten war also nicht mehr das entscheidende Kriterium. Während des Aufenthaltes in der Wüste berief Mose aus der großen Menge der Ältesten ein Gremium der "Siebziger", als "Bundesrat" des gesamten Volkes und gleichzeitig als Gehilfen des Mose.

Nach der Landnahme fiel den Ältesten des Volkes mehr und mehr die Aufgabe zu, als kommunale Verwalter und Richter für Ordnung zu sorgen. Sie kamen zu öffentlichen Sitzungen und Verhandlungen in den Toren der Stadt zusammen. Hin und wieder trafen sich die Dorf- und Stadtältesten auch als nationales Gremium. In der Königszeit waren diese Nationalversammlungen eine Art Staatsrat, der dem König beratend zur Seite stand.

Nach dem Babylonischen Exil bildeten die Ältesten gemeinsam mit den Priestern den sogenannten Hohen Rat. Dieser Rat hatte die höchste Macht in Sachen des religiösen und des bürgerlichen Rechts. Er hatte gleichzeitig über die Reinhaltung der religiösen Lehre zu wachen.

Die "Hohenpriester":

Bis in die Zeit der römischen Herrschaft in Palästina hatte der jüdische Hohepriester sein Amt bis an sein Lebensende inne; das Amt selbst war erblich. Die Römer unterbrachen diese Linie, indem sie den Hohenpriester ernannten und auch absetzten.

Im Bereich der Religion hatte der Hohepriester die zentrale Funktion. In allen Fragen der Religion, der Priesterschaft und des Gottesdienstes hatte er die oberste Aufsicht und Weisung. Er musste eine besondere kultische Reinheit wahren und war der einzige, der einmal im Jahr zu Jom Kippur (= Versöhnungstag) das Allerheiligste des Tempels betreten durfte. Dort empfing er stellvertretend für das Volk die Vergebung Gottes. Im Jahreslauf brachte er die wichtigsten Opfer dar.

Seit der Zeit der Makkabäer (165 - 63 v. Chr.) war der Hohepriester gleichzeitig auch der oberste politische Führer. Er war Vorsitzender des Hohen Rates (= Sanhedrin oder Synedrium).

Die "Schriftgelehrten":

Sie galten zur Zeit Jesu als die berufenen Autoritäten in allen Fragen des religiösen Gesetzes und auch des bürgerlichen Rechts. Seit der Priester Esra nach dem babylonischen Exil das Gesetzesstudium so gerühmt hatte, waren immer mehr Leute aus allen Schichten des Volkes dem nachgekommen und bildeten den Stand der "Gelehrten", "Gesetzeskundigen", "Gesetzeslehrer". Sie hießen "Weise" und ließen sich mit Rabbi (= "mein Lehrer", "mein Meister") anreden, was später Titel wurde, oder auch als "Vater". Mancher übte nebenbei noch einen bürgerlichen Beruf aus. Sie standen der "Partei" der Pharisäer nahe und saßen auch im Synedrium, der höchsten Gerichts- und Verwaltungsbehörde in Jerusalem, dem "Hohen Rat".

Für Römer war damals mit Wasser verdünnter Weinessig als Getränk so beliebt wie bei uns heute Cola oder Bier.

Bei Kreuzigungen im Römischen Reich wurde eine Tafel (lateinisch "titulus") am Kreuzesbalken angebracht, die den Namen und das Verbrechen des Verurteilten bekanntmachte. In diesem Fall: Name: Jesus von Nazareth; Verbrechen: er bezeichnete sich als König der Juden. Manchmal wurde diese Tafel den Verurteilten um den Hals gehängt. Die Tafel mit der Aufschrift "INRI" (= Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum = Jesus von Nazareth König der Juden) gilt als Indiz dafür, dass Pontius Pilatus den religiösen Anspruch Jesu, der Messias zu sein, als politischen Herrschaftsanspruch aufgefasst hat. Für ihn bestand Jesu Staatsverbrechen demnach darin, dass Jesus die Herrschaft über die Juden angestrebt und damit die Macht des römischen Kaisers angegriffen hat; denn nur er durfte im Reich und seinen Provinzen Könige ein- und absetzen. Vom zeitgenössischen Judentum wurde der Messias nicht mit dem Titel König der Juden, sondern "König Israels" bezeichnet. Die Evangelien berichten, dass Jesus vom jüdischen Hohen Rat als Gotteslästerer verurteilt wurde, weil er sich Menschensohn und damit indirekt Messias nannte.

Die beiden Männer, die neben Jesus gekreuzigt wurden, waren Zeloten. Der Ausdruck Zelot leitet sich vom griechischen Wort "zelos" (= Eifer) ab. Die Zeloten waren eine von Judas dem Galiläer und einem Priester mit Namen Zadok im Jahr 6 n. Chr. gegründete paramilitärische Widerstandsbewegung der Juden gegen die römische Besatzung. In der deutschen Sprache wird Zelot auch für einen Eiferer oder Fanatiker verwendet.

Mit dem "Amen" am Beginn einer Rede oder eines Satzes bringt Jesus zum Ausdruck: Das, was ich dir jetzt sage, ist unumstößlich wahr. Da gibt es nichts daran zu rütteln und zu deuteln. Darauf kannst du dich hundertprozentig verlassen.

Das Wort "Paradies" stammt aus dem Altpersischen und bezeichnet den durch einen Wall geschützten Ort, später den abgeschirmten Garten. Hier ist das Wort wohl als Bezeichnung für das himmlische Ziel des Einsseins, der Vollendung und Glückseligkeit zu verstehen.

Gottes Wort bringt uns Hoffnung und Zukunft

Wir haben zur Erzählung dieses Evangeliums einen Teil hinzugefügt.

Unter den Schaulustigen, die unter dem Kreuz Jesu standen, war auch jemand, der sich noch nie etwas zu Schulden kommen ließ, sondern immer redlich darauf bedacht war, sich treu an die religiösen Gebote und Verbote zu halten und ein grundanständiges, rechtschaffenes und unbescholtenes Leben zu führen. Es entging ihm nicht, wie die beiden Männer, die neben Jesus gekreuzigt waren, sich an Jesus wandten. Und er hörte den einen zu Jesus sagen: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.” Da dachte er bei sich: „Ach, so einer, jetzt in seiner Todesangst, kurz bevor er elendiglich verreckt, kriecht er zu Gott hin und fleht ihn um Gnade an. Das hätte er sich früher überlegen müssen. Jetzt ist es zu spät. Sein Leben lang hat er Zeit gehabt, Gottes Gesetze zu beachten. Was er verbrochen hat, kann er jetzt nicht mehr gut machen. Ein Aufrührer war er, ein Terrorist, der den Mord an vielen Menschen auf seinem Gewissen hat. Gnadenlos, eiskalt und grausam ging er mit Menschenleben um. Und jetzt bittet genau er, dieser gemeine, ausgemachte Schurke und Gesetzesbrecher, um Gottes Gnade. Die verdient er nicht, die steht ihm nicht zu, die hat er verspielt. Die ewige Höllenstrafe gebührt ihm. Gott wird sein Bitten nicht erhören und sein Leben nicht annehmen, sondern ihn verachten und aus seinen Augen verstoßen. Er wird ihn verdammen und ihn im nie erlöschenden Feuer seine Schlechtigkeiten und Untaten abbüßen lassen, die er auf Erden verübt hat. Da könnte ja am Ende eines verwerflichen und verabscheuungswürdigen Lebens jeder kommen, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht, und Gott um Begnadigung anflehen. Wie kämen wir da dazu, wir, die Guten, die wir stets bemüht sind, Gottes Willen zu erfüllen, wenn Gott den Bösen ihre Sünden im letzten Moment noch vergeben würde. Das wäre uns Redlichen und Tugendhaften gegenüber im höchsten Maße ungerecht. Ja! Ja! Gott sei Dank, dass er ein gerechter Richter ist, der das Gute belohnt und das Böse bestraft. Gott sei gelobt, dass sein Erbarmen so einfach und so billig nicht zu haben ist.”

Dieser Teil steht nicht im Evangelium. Wir haben ihn erfunden.

Als der eine neben Jesus Gekreuzigte die Bitte ausspricht „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst”, da zögert Jesus keinen Augenblick, sondern antwortet ihm unverzüglich: „HEUTE wirst du mit mir im Paradies sein.” HEUTE! Nicht nach abgeleisteter Buße, nicht nach gebührender Wiedergutmachung, nicht nach einer langen Aufarbeitung deiner Vergangenheit, nicht nach Bestrafung. Du hast HEUTE dein Herz für das Paradies geöffnet, HEUTE ist es dir geschenkt.

Das Paradies ist nicht Lohn für Verdienste, nicht Gegenleistung für Leistungen, sondern ist Geschenk Gottes, unverdientes Geschenk, reine Gnade.

Wer die Tür seines Herzens für das Paradies aufmacht, dem wird es von Gott gegeben.

So einfach ist es? Ja, so einfach!