"Vierzig Tage"

Text: Markusevangelium 1, 12-15 - Einheitsübersetzung neu

12 Und sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste. 13 Jesus blieb vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm. 14 Nachdem Johannes ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes 15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!

Gottes Wort ist für uns wie Licht in der Nacht

Jesus, wir glauben, dass du in uns lebst, uns Einsicht schenkst in dieses Evangelium und uns sagst, was wir für unser Leben daraus lernen können. Wir machen unser inneres Ohr, unser Herz und unsere Seele weit auf für das, was du uns sagst.

Jesus:

Die Zeit in der Wüste war für mich eine wichtige, kostbare Zeit, eine Zeit der Gnade. Gottes Geist hat mich dazu angetrieben, ich habe gespürt, dass ich mir diese Zeit nehmen muss.
„Vierzig Tage” ist ein symbolischer Ausdruck. „Vierzig Tage” bedeutet Zeit des Suchens nach Antworten auf die Grundfragen des Lebens, bedeutet auch eine Zeit innerer Zerrissenheit mit Unklarheit und Zweifel, ebenso eine Zeit der Selbsterfahrung, der Selbstfindung und Selbsterkenntnis sowie eine Zeit tiefer Einsichten und Erkenntnisse und schließlich eine Zeit persönlicher Reifung und großer Lebensentscheidungen.
Ich habe mich zurückgezogen in die Stille und Einsamkeit, fernab von Lärm und Gerede, abseits von fremden Stimmen, frei von Einmischung, Meinungen, Ratschlägen und Urteilen anderer Menschen. Ohne Verstellung, ohne Ablenkung und Einflüsse von außen bin ich mir selber gegenübergestanden, um die Wahrheit meines Lebens zu erkennen. Ich war mit mir allein, habe den Weg nach innen angetreten, und diese Fragen standen im Mittelpunkt: Wo finde ich Sinn für mein Leben? Was ist meine Bestimmung? Was ist wirklich wichtig? Auf welche Werte hin orientiere ich mein Leben? Wer bin ich wirklich und wie finde ich zu mir? Wer und wie ist Gott für mich? Ist alles an mir gut? Kann ich mich selber annehmen und lieben, wie ich bin, und wie gelange ich zum Eins sein mit mir und zu meiner inneren Harmonie, zur Annahme und Liebe meiner selbst?
Die Wüste ist trocken und karg. In dieser Zeit habe ich ärmlich gelebt und mich ganz einfach ernährt, nur mit dem, was in der Wüste wächst. Nichts hatte ich dabei: keine Vorratstasche, kein zweites Hemd, keine Schuhe und keinen Wanderstab. Da habe ich den Hunger und die Verlockungen der Welt umso mehr gespürt, den Kitzel des Geldes, des materiellen Reichtums und käuflichen Vergnügens, den Reiz von irdischer Macht und Einfluss, den Charme weltlichen Ruhms, die Faszination des Ansehens, der Geltung und persönlicher Größe.
Auf der Erkundung nach meinem wahren Selbst habe ich mich auseinandergesetzt mit meinen Masken, die ich vor mir selbst und anderen trage, mit meinen Lebenslügen, die ich verinnerlicht habe, mit meinen Rollen, die ich spiele. Ich habe geprüft: Will ich zu den Menschen von Gott reden oder in Wahrheit nur mich selber darstellen? Will ich den Menschen wirklich Liebe verkündigen oder suche ich in Wahrheit nur Wertschätzung und Anerkennung, Gunst und Ansehen für mich selbst? Will ich wirklich Heuchelei und Selbstgerechtigkeit beim Namen nennen oder dahinter in Wahrheit nur mein Machtstreben verstecken und meine geheimen Aggressionen ausleben?
Eingehend habe ich mich mit der Frage nach Gott beschäftigt, mit dem Gottesbild meiner jüdischen Herkunft, mit dem Gott, der viele Gesetze, Gebote und Verbote erlässt, der ihre Einhaltung überwacht und diejenigen bestraft, die seine Gesetze missachten.
Ich habe in dieser meiner Wüstenzeit zu dem Gott gefunden, zu dem ich Abba sage, Papa, lieber Vati, zu dem Gott, der reine Liebe und Gnade ist, der bedingungs- und voraussetzungslos Ja zu mir sagt und mich annimmt mit allem, was ich bin, und was zu mir gehört, zu dem Gott, der seine ganze Schöpfung mit allen Teilen sehr gut nennt.
Mit meinem Abba-Gott habe ich den unvergänglichen Reichtum gefunden, den nur er geben kann.
Mit ihm bin ich zu meiner Selbstannahme gekommen, zum Ja zu mir selbst und zu allem, was in mir ist, und was mich ausmacht, einschließlich aller meiner Wünsche und Bedürfnisse, einschließlich aller meiner Triebe und Leidenschaften, einschließlich meiner Schatten und dunklen Seiten. In meiner Wüstenzeit habe ich gelernt, nichts mehr in mir zu verachten und zu verurteilen, nichts mehr zu verdrängen und zu verleugnen, nichts mehr von mir abzuspalten, nichts mehr an mir zu bekämpfen, weil alles an mir sehr gut ist. Auf diese Weise habe ich meine innere Harmonie gefunden, den Frieden und das Eins sein mit mir, den Frieden mit meinem Abba, den Frieden mit allen Mitgeschöpfen. Der Verfasser des Evangeliums drückt das mit den Worten aus: „Ich war zusammen mit den Tieren und die Engel dienten mir.”

Danke, Jesus. Wir loben und preisen dich.