Der griechische Ausdruck für unser Wort „Sünde” kommt ursprünglich aus dem Schießsport und bedeutet: am Ziel vorbeischießen, das Ziel verfehlen.
Zielverfehlung statt Sünde
Ein Mensch kommt zu Jesus und fragt: „Jesus, sag mir, welches ist das höchste Ziel meines Lebens?” Jesus antwortet ihm: „Lerne, den Herrn, deinen Gott, zu lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit all deinen Gedanken! Das ist das erste und wichtigste Ziel deines Lebens. Ebenso wichtig ist das zweite: Lerne, deinen Nächsten zu lieben und dich selbst! Lerne es und du wirst leben und die Fülle des Lebens haben.”
In der altgriechischen Sprache, in der die biblischen Schriften des Neuen Testamentes ursprünglich verfasst worden sind, heißt das Wort „Sünde” hamartí–a bzw. das Wort „sündigen” hamartáne–in. Diese Begriffe sind anfänglich in der Welt des Sports verwendet worden, genau gesagt: im Sportschießen. Sie bedeuten: „das Ziel nicht treffen”, „am Ziel vorbeischießen”, „das Ziel verfehlen”.
Der Ausdruck „Sünde” ist ein abgenutzter, abgegriffener und besudelter Begriff. Dieses Wort wurde über lange Zeit in unmittelbarem Zusammenhang mit Strafe und der Ausdruck „schwere Sünde” in Zusammenhang mit ewiger Verdammnis gesehen und verstanden. Strafen und Verdammen tun nur Menschen. Und sie spiegeln ihr Denk- und Verhaltensmuster auf Gott. Wer Gott als Strafenden und Verdammenden verkündet, verwendet Gott als Waffe und als Keule, um damit Menschen klein zu halten, zu beherrschen und Macht über sie auszuüben.
Gott straft nicht und verdammt nicht. Denn er ist ewige, das heißt vollkommene Liebe. Seine Liebe kennt keine Grenzen, keine Voraussetzungen, keine Fristen und keine Bedingungen. Strafen und Verdammen stehen in vollem Gegensatz zur Liebe und damit zu Gott.
Gott hat uns nicht als fertige, vollkommene, wohl aber als lernfähige Wesen geschaffen. Gott verlangt von uns nicht perfekt zu sein. Perfekt zu sein fordern nur Menschen von Mitmenschen oder von sich selber. Gott schenkt uns Herz und Verstand, damit wir Erfahrungen machen können, aus denen wir lernen und erkennen, was uns zum Ziel führt. Gott lässt uns lernen, reifen und wachsen. Jeder Mensch darf lernen. Lernen beinhaltet Fehler machen dürfen, irren dürfen. Lernen geschieht durch Versuch und Irrtum. Welcher Mensch kann sagen, dass er die Vollkommenheit schon erreicht hat!? Wohl keiner! Nicht einmal am Ende des Lebens.
Wenn schon ein liebender Vater und eine liebende Mutter ihre Kinder mit großer Geduld in ihrer Unvollkommenheit annehmen und lernen und reifen lassen, um wie viel mehr übt Gott Geduld, dessen Liebe unendlich größer ist, und lässt seine Menschenkinder lernen und reifen. Gott lässt jeden Menschen lernen, bis er gelernt hat. Er setzt keine Frist so wie ein Lehrer dem Schüler. Gott lässt keinen Menschen wegen seiner Zielverfehlungen durchfallen. Er liebt uns bedingungslos, auch wenn wir den „richtigen Weg” noch nicht erkannt haben und noch nicht gehen. Der richtige Weg ist der, der zum Ziel führt.
Kein Mensch irrt ewig und scheitert ewig. Kein Mensch verfehlt das höchste Ziel ewig.
Das letzte große Ziel heißt: die Liebe lernen. Solange muss und darf ein Mensch lernen, bis er gelernt hat, wahrhaft – nämlich mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit allen Gedanken – zu lieben.
Nun könnte einer sagen: Wenn mir ohnehin alle Zeit der Welt geschenkt wird, Lieben zu lernen, dann kann ich ja das Lernen hinausschieben und aufschieben, solange ich will. Dem ist entgegenzuhalten: Je früher ich lerne zu lieben, umso besser für mich. Denn Lieben verschafft Lebenssinn und Lebensglück. Und Lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit allen Gedanken hat ewige Glückseligkeit zur Folge, nach der sich jeder Mensch am allermeisten sehnt.
Das ist unsere größte Lernaufgabe: LIEBEN ZU LERNEN.