Lebenswert
Text: Matthäusevangelium 10, 37-42 - Einheitsübersetzung
Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten. Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.
Gottes Wort ist Orientierung für uns
Ein Mann gründet eine Firma. Mit großem wirtschaftlichen Können, mit Fleiß, Tüchtigkeit und hoher Motivation baut er sein Unternehmen auf. Das bringt ihm Respekt ein. Sein Ansehen wächst. Schnell ist sein Firmenname weithin bekannt. Er ist bei vielen beliebt und wird oft beneidet. Er ist ein Mann, auf den die Leute aufschauen. Ein Mensch des öffentlichen Lebens. Er erntet in weiten Kreisen Bewunderung, Anerkennung und Hochschätzung und erhält hohe Auszeichnungen und Wirtschaftspreise. Ein typischer Erfolgsmensch. Eine Bilderbuchkarriere. Sein Selbstverständnis definiert er durch Arbeit, Leistung, wirtschaftlichen Erfolg und materiellen Reichtum. Mit 55 schwerer Herzinfarkt. Die Krankheit bringt ihn an den Rand seines Lebens und zwingt ihn Wochen lang zur Ruhe. Er fängt an nachzudenken und stellt die Sinnfrage. Die Ärzte sagen ihm, sein Herz habe sehr an Leistung eingebüßt, es werde nie mehr so belastbar sein wie früher. Eines Tages spricht er mit seiner Frau über sein Leben: „Ich habe immer gemeint, ich hätte das Leben gefunden und das volle Leben gewonnen. Heute denke ich: Wie gewonnen, so zerronnen. Ich glaube, ich habe am Leben vorbeigelebt. Was habe ich jetzt? Was bleibt mir nun von all dem, was ich habe und wie ich gelebt habe?”
Das vierte Evangelium überliefert uns die Jesusworte: „Ich bin gekommen, damit die Menschen Leben haben und über das Maß des Notwendigen hinaus haben.” Der Mann aus Nazareth ist den Weg zur Lebensfülle, den Weg der bleibenden Werte gegangen. Er hat Werte gelebt, die nicht vergehen, sondern Bestand haben für immer. Den Weg des wahren, geglückten, gelungenen Lebens können wir von Jesus lernen, indem wir auf ihn schauen, seine Schüler werden und seinen Spuren folgen. Er ist für uns der Lehrer des Lebens. Der Lehrer schlechthin.
„Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren. Wer es aber verliert um meinetwillen, wird es gewinnen”, sagt der Lehrer des Lebens in diesem Evangelium. Diese Worte klingen zunächst wie ein Widerspruch und doch verbirgt sich in ihnen das Geheimnis des wahren Lebens. Das Leben um Jesu willen verlieren, um es zu gewinnen. Wie geht das? Um Jesu willen bedeutet: das entspricht ganz genau seinem Sinn, seinem Weg, seinem Beispiel. Es geht um die Frage: Wie und wo suchen wir Sinnerfüllung für unser Leben? Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Werten: vergängliche und bleibende. Alle Güter, die zum Irdischen gehören, seien sie noch so kostbar, wertvoll und schön, sind vergänglich, kurzlebig, vorübergehend, nicht von Dauer und dem Verfall preisgegeben. Und alle Güter, die zu Gott gehören, sind unvergänglich, beständig, zeitlos, ewig und ganz.
Auch die irdischen Güter haben ihren Wert. Jesus hat sie nicht verabscheut und verteufelt. Wenn wir aber die totale Erfüllung von ihnen erwarten, wenn wir unser Herz gänzlich an sie hängen, sie zu unserem Ein und Alles machen und uns von ihnen das große Glück versprechen, machen wir über kurz oder lang die Erfahrung, dass unser Leben unerfüllt, leer und öd bleibt. Wenn wir die irdischen Güter loslassen und erkennen, dass sie uns nur vorübergehend geliehen sind, und wenn wir die Güter Gottes annehmen und damit leben, gewinnen wir das Leben, nach dem wir uns zutiefst sehnen.
Jesus lehrt uns die irdischen Güter von den ewigen zu unterscheiden.